Freitag, 14. August 2009

Unser Herr Jurk (SPD)

Worum gehts? Ausgangspunkt ist dieses Zitat vom sächsischen Wirtschaftsminister Jurk im Chat der Freien Presse aus Chemnitz: "Wenn wir gegen das Grundgesetz verstossen, weil wir Pädophilen unmöglich machen kinderpornografische Bilder aus dem Internet herunterzuladen, dann nehme ich das in Kauf."

Daraufhin hat sich ein Teil der Internetaffinen direkt bei Herrn Jurk per E-Mail Luft gemacht und ich kann mir gut vorstellen, daß da nicht nur zitierfähiges Material dabei war. Ich meine, Politiker sind auch nur Menschen und wie man in den Wald hinein ruft, so schallt es eben auch heraus. So weit so mehr oder weniger gut.

Dieser Tage hat sich die Pressestelle des SPD-Landesvorsitzenden nun zu einer Antwort durchgerungen, die u.a. auch in meiner Mailbox landete.

"Sehr geehrter Herr [Name entfernt],

in den vergangenen Tagen haben Aktivisten der Piraten-Partei versucht, im Internet meine Verfassungstreue in Frage zu stellen.

Die Frage, die gestellt wurde lautete:

Wieso schränkt die SPD die einfachsten Grundrechte durch die Internet-Zensur des Zugangserschwerungsgesetzes ein? Für mich verstößt die SPD damit gegen das Grundgesetz.“

Ich sage klar: Die SPD verstößt damit nicht gegen das Grundgesetz. Das Gesetz ist verfassungskonform, denn Artikel 1 des Grundgesetzes schützt als oberstes Gebot die Menschenwürde. Diese Selbstverständlichkeit in einem Rechtsstaat habe ich möglicherweise nicht ausreichend ausgeführt.

Ich bleibe aber bei meiner festen Auffassung, dass der eingeschlagene Weg der richtige ist. Pädophilen sollte es unmöglich gemacht werden, kinderpornografische Bilder aus dem Internet anzusehen oder herunterzuladen.

Ich persönlich hoffe darauf, dass es mit diesem Gesetz gelingt, das Problem zu verringern. Wenn deshalb irgendwo auf der Welt nur ein Kind nicht zu pornografischen Bildern missbraucht wird, hat sich die Zugangserschwerung gelohnt.

Bei der nötigen Güterabwägung zwischen Freiheiten für Pädophilie und Kinderschänder im Internet, die durch Zugangsbeschränkungen begrenzt werden, und dem Schutz unserer Kinder steh ich auf der Seite der Kinder. Die Piraten sollten gut überlegen, wo sie stehen wollen.

Wenn es die Community denn hören will: Es war Sachsens SPD unter meiner Führung, die im vergangenen Herbst wesentliche Punkte bei der Online-Überwachung aus dem Gesetzentwurf von Herrn Schäuble streichen konnte.

Mit freundlichen Grüßen
Thomas Jurk"

Ich will mal aus meiner Sicht kommentieren, wie Herr Jurk auf den Vorwurf der E-Mailer überhaupt nicht geantwortet hat. Niemand warf ihm mMn vor, er hätte das Grundgesetz gebrochen. Der Vorwurf in den Reaktionen auf den Chat war, daß er gesagt hat, würde er das Grundgesetz brechen, wäre es ihm sozusagen schnurz. Und ein Politiker, dessen Amt und Macht ihm alleine durch die entsprechende Verfassung verliehen wird, kann diese im gleichen Atemzug wohl kaum geringschätzen. Schließlich ist die Gültigkeit eines Grundgesetzes oder einer Verfassung kein Ding der Beliebigkeit. Und mit solchen Bemerkungen würdigt er diese Gesetze herab.

Zweiter Punkt ist die Argumentation auf Stammtischniveau, die Gleichsetzung von Pädophilen und Kinderschändern. Nach meinem Verständnis sind nicht alle Kinderschänder pädophil und schon gar nicht alle Pädophilen sind Kinderschänder. Pädophilie ist eine unverschuldete Krankheit, die meines Wissens nicht unter Strafe steht, solange der Betroffene das nicht auslebt. Im Gegenteil, die Stigmatisierung fördert nur noch den Druck im Kessel, denn keine Gnade selbst für den Hilfesuchenden, der vor (!) einem straffälligen Ausleben mit einem selbstgerechten Moralapostel darüber spricht. Da gibt es das Beispiel vom Hausarzt, der einen Hilfesuchenden aus der Praxis geschmissen hat. Hinzu kommt die rethorische Gleichsetzung der Mitglieder der Piratenpartei mit Kinderschädnern, welche den Boden einer ernsthaften Diskussion völlig verläßt. Aber schätzungsweise ist die SPD soweit am Boden, daß nur noch die Lufthoheit an den Stammtischen Hoffnung für ein besseres Abschneiden bei den kommenden Landtagswahlen in Sachsen verheißt.

Wer sich einmal umfassend und sachlich (!) informieren will, der findet beim Deutschlandfunk einen interessanten Beitrag dazu: Therapie für Pädophile - Forschungsprojekt will sexuellen Übergriffen auf Kinder vorbeugen.