Donnerstag, 10. September 2009

Der Wähler ist zu doof?

Ich gebe zu, die Überschrift ist etwas provokant. Aber zum Thema. Da ich tagsüber viel mit dem Auto unterwegs bin, läuft bei mir oft der DLF. Heute Mittag habe ich dabei ein Interview mit dem Militärseelsorger Frank Eggen, dem Begründer der Initiative "Angriff auf die Seele", mitverfolgen können. Ich habe zwar noch nie verstanden, warum die Religion der Nächstenliebe regierungsamtliches Töten sanktionieren statt boykottieren muß, aber das steht auf einem anderen Blatt. Es stimmt jedenfalls, daß die Soldaten dort eine psychologische Betreuung brauchen, v.a. das Sprechen-können mit Kameraden, also nicht mit Außenseitern. Im DLF lief dazu mal ein Beitrag über die viertel- bis halbjährige Betreuung dänischer Soldaten nach der Heimkehr in speziellen Einrichtungen. Leider finde ich den Beitrag auf die Schnelle nicht Der DLF-Beitrag vom 13.02.2009 hieß: Rückkkehr ins zivile Leben (auch als Podcast zum Nachhören). Zurück zum Interview und dem Grund dieses Posts. Ich zitiere mal die fragliche Stelle:

"Dobovisek (Moderatorin): Fühlen Sie sich da von der Politik manchmal allein gelassen?Eggen: Nein, von der Politik eigentlich nicht. Höchstens von der Gesellschaft insgesamt würde ich mir wünschen, dass man den Familien und den Soldaten mehr Anerkennung zeigt und sie auch in Krisensituationen unterstützt, wenn es denn notwendig ist. Da, glaube ich, sind wir auch noch in einem gesellschaftlichen Lernprozess."

Bevor ich auf den Punkt komme, noch ein Zitat aus anderer Quelle und einem anderen Zusammenhang vom Juni diesen Jahres: "Der Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr stößt bei den Deutschen auf die bislang größte Ablehnung. Im aktuellen ARD-DeutschlandTrend sprechen sich 69 Prozent der Bundesbürger dafür aus, dass die Bundeswehr «sich möglichst schnell aus Afghanistan zurückziehen sollte»." (Quelle: ad-hoc.news.de)

Die Hervorhebungen sind von mir. Und ich denke, es wird klar, worauf ich hinaus will. Wenn über 2/3, also parlamentarisch gesehen die absolute Mehrheit, der Deutschen aus Afghanistan hinaus will, dann kann es nicht darum gehen, Bürger/Wähler/Volk/Souverän umzuerziehen, sondern die Regierung. Nicht der Souverän muß von der Sinnhaftigkeit des Treibens der Regierung überzeugt werden, sondern die Regierung hat den Willen des Souveräns umzusetzen, denn nur durch dessen Stimme an der Wahlurne ist die Regierung ins Amt gelangt und in ihrer Macht legitimiert. Und nirgendwo steht, das die politische Willensbildung ausschließlich an einem Sonntag aller 4 Jahre stattfindet.

In meinen Augen müßte der Satz vom Kopf auf die Füße gestellt also lauten: "Nein, von der Gesellschaft eigentlich nicht. Höchstens von der Politik insgesamt würde ich mir wünschen, dass sie dem Willen der Wähler folgt, das Leiden für Soldaten und Afghanen beendet und sich endlich ernsthaft mit einer Exit-Strategie beschäftigt. Da, glaube ich, sind wir auf Seiten der Politik noch in einem Lernprozess." - Diplomatisch formuliert. Und damit mich niemand mißversteht: ich habe selber "gedient". Es geht mir nicht darum, unseren Söhnen, Brüdern und Freunden Mitgefühl/Unterstützung zu versagen, sondern sie aus in meinen Augen nutzloser Verheizerei heraus zu holen.

Update (11.09.2009), weil paßt vervollständigend wie die vielzitierte Faust aufs Auge. Der Vorsitzende des Bundeswehrverbands, Oberstleutnant Ulrich Kirsch, im RBB-Inforadio: "Ich habe in der Vergangenheit immer gesagt, wir müssen mit der Schönfärberei aufhören. Eins ist klar: Im Raum Kundus haben wir Krieg." - Kann sich jeder bei Google Maps das Profil mal anschauen. Völlig egal in meinen Augen, ob wir dort 1000, 2000 oder 10000 Soldaten stationiert haben. Militärisch ist da kein Blumentopf zu gewinnen. Einfach mal die Russen fragen. • Noch ein Update, gefunden bei Radio-Utopie: "Deutsche Ärzte haben vom Deutschen Krieg die Faxen endgültig dicke! ... Das Allerschlimmste aber ist, dass die Mediziner in einem Formblatt aufgefordert wurden, die Therapie so zu lenken, dass der Krieg in Afghanistan dabei zu befürworten ist..." In dem Beitrag ist auch der offene Brief der Ärztevereinigung an Bundesverteidigungsminister Jung als PDF-Datei verlinkt. Lesenswert!